13. Februar 2022

Urban Wildlife

Tiere im urbanen Umfeld habe ich bisher immer gescheut. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich jedoch keinen vernünftigen Grund dafür nennen. Am ehesten ist es vermutlich der Vorbehalt, als Naturfotograf müsse man in freier Wildbahn unterwegs sein, um die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten zu können. Zwar ist der Gedanke von Rehen und Hasen in unberührter Natur sehr romantisch, in der Realität ist es aber oft anders. Viele Tiere haben sich in den, vom Menschen gemachten, Kulturlandschaften rund um und in Dörfern und Städten angesiedelt. So zählen Fuchs und Hase ebenso zu den Großstadtbewohnern wie Tauben und Spatzen. Wenn man sich vor Augen hält, dass es sich dabei immer noch um grundsätzlich scheue Wildtiere handelt, muss es also auch in Städten naturnahe, unberührte Bereiche geben. Auch wenn die Stadttiere ihre Berührungsängste mit dem Menschen reduziert haben, so brauchen sie dennoch ihren Rückzugsraum, in dem sie sich ungestört fühlen. Womit wir wieder beim Thema Natur wären. Einige dieser ruhigeren urbanen Orte an denen häufig Tiere anzutreffen sind, sind Friedhöfe. Kein Wunder, denn auf Friedhöfen verhalten sich die Besucher meist leise und auch die Verweildauer ist oft recht kurz. Darüber hinaus haben die städtischen Friedhöfe in der Regel Öffnungszeiten und sind somit gerade am Abend und in der Nacht menschenleer. Manche Areale sind auch so groß und weitläufig, dass gerade sehr alte und abgelegene Bereiche kaum besucht werden. Der perfekte Rückzugsort also für einen ehemaligen Wald- und Wiesenbewohner.

Saatkrähe
Auf gefühlt jedem zweiten Grabstein saß eine Krähe. Sie zu fotografieren brachte mich jedoch an den Rand der Verzweiflung. Sobald ich sie fotografieren wollte flatterten sie davon, meist kurz bevor ich den Auslöser drücken konnte.

Als ich vor Kurzem auf einer der größten Friedhofsanlagen Europas zu Gast war, wollte ich mir auch die dort lebenden Tiere etwas genauer ansehen. In den kalten Wintermonaten, in denen einige Tierarten Winterruhe und Winterschlaf halten, ist der Artenreichtum natürlich etwas geringer. Ich durfte mich aber dennoch über neugierige Rehe und Eichhörnchen freuen. Und so war es für mich wirklich interessant zu beobachten, wie sich speziell die Rehe an den Menschen gewöhnt haben und in aller Seelenruhe nur wenige Meter entfernt an einem vorbeiwandern. Als ich sie fotografierte, waren sie sogar richtig neugierig und reckten ihre Hälse, um zu sehen was dieser Mensch dort mit seiner Kamera macht. Ich liebe solche Momente in denen ich weiß, dass mich das Tier registriert hat, in mir jedoch keine Gefahr sieht. Kurz habe ich sogar das Gefühl es interagiert mit mir, da es auf meine Bewegung reagiert und mich mit seinem Blick sucht, wenn ich mich zum Beispiel hinter einem Baum oder Strauch verstecke. Gerade bei Rehen finde ich das besonders spannend, da man bei ihnen eigentlich einen Fluchtreflex erwarten würde wenn sich ihnen ein Mensch nähert. Haben sie irgendwann doch genug von menschlicher Gesellschaft, suchen sie Deckung im hohen, braun gefärbten Gras, wo sie liegend nahezu unsichtbar sind.

Reh
Suchbild: Wo ist das Reh?

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass ein Friedhof immer noch ein Ort ist an dem Menschen ihrer verstorbenen Angehörigen gedenken und keine Spielwiese. Ein respektvolles Verhalten sollte daher selbstverständlich sein. Der Bereich in dem ich mich aufgehalten habe ist schon lange stillgelegt und nicht mehr in Benutzung. Die Natur hatte diesen Teil des Friedhofes bereits weitgehend zurückerobert. Ich empfand es daher nicht als unpassend, dort Fotos von Tieren zu machen.

Eichhörnchen
Ab und zu kreuzte ein Eichhörnchen meinen Weg. Gut zu sehen, die langen Pinselhaare an den Ohren.
Saatkrähe
Im Winter wird scheinbar alles verwertet, selbst an trockenen Zweigen und Blättern wird geknabbert.
Saatkrähe
Was mag diese Krähe in der Ferne wohl erblickt haben?