17. November 2021

Bei den Gämsen

Letztes Wochenende war ich mit einem befreundeten Jäger auf der Pirsch um Gämsen zu fotografieren. Aktuell ist Brunftzeit und die ideale Gelegenheit, um den scheuen Tieren in freier Wildbahn wirklich nahe zu kommen. Die Suche nach einer Fortpflanzungsgelegenheit macht sie neugierig und so hofften wir einige Bilder aus nächster Nähe machen zu können.

Nach einem stärkenden Frühstück machten wir uns gegen 6 Uhr auf Weg zum Gamsrevier. Im ersten Schnee des Winters quälten wir uns mit dem Jeep so lange aufwärts, bis es endgültig kein Weiterkommen mehr gab und wir den Wagen stehen lassen mussten. Phasenweise fühlte ich mich dabei wie bei der Schweden Rallye. Von nun an ging es zu Fuß weiter. Zunächst noch auf dem Fahrweg, dann durch Wald und Wiese. Der Aufstieg war im teils knietiefen Schnee langwierig und anstrengend. Die schwere Ausrüstung auf dem Rücken trug ihren Teil dazu bei.

Nach fast zwei Stunden hatten wir unser Ziel erreicht und wurden sogleich von einem Gamsbock in gut 30 Metern Entfernung empfangen. Unsere Anwesenheit dürfte seine Neugier geweckt haben, da er immer näher auf unsere Deckung zukam. Wir freuten uns natürlich riesig, dass uns gleich zu Beginn ein ansehnlicher, stolzer Bock vor die Linse gelaufen kam. Nachdem er festgestellt hatte, dass hier nichts für ihn zu holen ist und ich meine Fotos im Kasten hatte, zog er wieder ab und verschwand hinter einer Geländekuppe.

Gämse
Ein prächtiger Bock mit gut erkennbarem Gamsbart.

Nach einer guten Stunde warten näherte sich erneut ein Bock. Er war deutlich jünger als der erste und hatte sichtlich Schwierigkeiten, sich im tiefen Schnee fortzubewegen. Trotz gespreizter Hufe brach er immer wieder mit seinen Läufen durch die gefrorene Oberfläche und so wirkte er eher tolpatschig und unbeholfen. Auch er schien uns schon aus der Ferne wahrgenommen zu haben und bewegte sich in unsere Richtung. Am Ende wagte er sich bis auf 5-6 Meter an uns heran. Direkt vor uns stehend blickte er uns an und machte keinerlei Anstalten, die Flucht zu ergreifen. Irgendwann verlor aber auch er das Interesse an uns und trottete davon. Das soll es dann auch gewesen ein. Trotz weiteren Ausharrens verirrte sich kein Tier mehr in unsere Gegend.

Die Situation, dass eine Gams einem Menschen so nahe kommt war auch für einen langjährigen Jäger nicht alltäglich. So war es für uns beide gleichermaßen eine besondere Erfahrung. Der Moment, wenn das Tier vor mir steht, ich ihm in die Augen sehe und weiß, dass es mich ebenfalls wahrnimmt und trotzdem nicht flüchtet, hat für mich eine ganz eigene Magie. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich fühle mich in diesem Augenblick auf eine bestimmte Art und Weise mit dem Tier verbunden - es herrscht eine gewisse Intimität. Solche Erlebnisse machen die Wildtierfotografie für mich jedesmal zu einem Highlight.

Gämse
Gämse
Gämse
Gämse
Der junge Bock betrachtet uns neugierig aus nächster Nähe. Gut zu sehen, die gespreizten Hufe um nicht im Schnee zu versinken.